Weniger Kündigungsschutz wegen Brexit? – Auf keinen Fall, sagen Deutschlands Führungskräfte

29.08.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: DIE FÜHRUNGSKRÄFTE e.V..

Der hessische Landesfinanzminister Thomas Schäfer (CDU) schlägt vor, den Kündigungsschutz für Arbeitnehmer zu lockern. Eine Idee, die bei den Führungskräften in Deutschland auf keinerlei Gegenliebe stößt.

Mit schöner Regelmäßigkeit wiederholt sich in Deutschland das Ritual, eine Absenkung des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzniveaus zu fordern. Diesmal ist es Hessens Finanzminister Schäfer, der einen ausgeprägten Kündigungsschutz für entbehrlich hält, insofern der Mitarbeiter eine "lukrative" Abfindung erhält. "Ein hochbezahlter Banker ist vielleicht weniger schutzwürdig als die einfache Sparkassenangestellte", meint Schäfer, der erstaunlicherweise das Brexit-Referendum in Großbritannien als Begründung für seinen Vorschlag anführt. Mit dem Argument eines schwächeren Kündigungsschutzes - so seine Idee - könne man nach einem Brexit Banken von London an den Standort Frankfurt locken.

Der Berufsverband DIE FÜHRUNGSKRÄFTE - DFK widerspricht hier vehement: "Es ist schon ein abenteuerlicher Ansatz, den Brexit mit einer Absenkung des Kündigungsschutzes in Deutschland zu verknüpfen und entsprechende Gesetzesänderungen zu fordern. Das zeigt vor allem, dass Minister Schäfer das deutsche Kündigungsschutzrecht und seine positive Wirkung in der Praxis nicht wirklich durchdrungen hat", erläutert der DFK-Vorstandsvorsitzende Dr. Ulrich Goldschmidt die Position der Führungskräfte in Deutschland. "Übersehen wird oft, dass das Kündigungsschutzgesetz kein Kündigungsverhinderungsgesetz ist, sondern hierdurch die Spielregeln für Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegt werden, nach denen sich die Wirksamkeit einer Kündigung richtet. Willkürlichen und sozial ungerechtfertigten Kündigungen wird damit richtigerweise ein Riegel vorgeschoben", beschreibt Goldschmidt die Rechtslage in Deutschland.

In der Tat gibt es nicht einen einzigen Beleg dafür, dass das deutsche Kündigungsschutzrecht ein Beschäftigungs- und Einstellungshindernis sein könnte. Kein unternehmerisch denkender Arbeitgeber macht seine Einstellungsentscheidung davon abhängig, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Ausschlaggebend sind vielmehr ökonomische Gründe, wie etwa die wirtschaftliche Situation des Unternehmens oder das Wettbewerbsumfeld, sowie organisatorische Aspekte und die Personalausstattung der Firma. Will sich ein Arbeitgeber von einem Mitarbeiter im Wege der Kündigung trennen, muss er allerdings seine Hausarbeiten machen und die Kündigung den rechtlichen Vorgaben entsprechend vorbereiten. Tut er dies nicht, bleibt ihm nur der Weg, sich mit seinem Mitarbeiter auf einen Aufhebungsvertrag zu verständigen. "Soll das Kündigungsschutzrecht wie bisher den sozialen Frieden in den Unternehmen sichern, muss der Grundsatz, dass Bestandsschutz vor Abfindungsschutz geht, erhalten bleiben. Wer als Arbeitgeber mehr Flexibilität will, kann auch heute schon von den erweiterten Befristungsmöglichkeiten Gebrauch machen", zeigt Ulrich Goldschmidt Handlungsoptionen für den Arbeitgeber auf.

Daher besteht auch keine Notwendigkeit, das Kündigungsschutzgesetz dahingehend zu ändern, dass schon zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung für den Fall einer Kündigung vereinbart und der Mitarbeiter damit darauf festgelegt werden kann, auf eine Kündigungsschutzklage zu verzichten. Die Gefahr, dass aus diesem Anlass unangemessener Druck auf den Arbeitnehmer ausgeübt wird, um ihn zu einem Kündigungsschutzverzicht zu drängen, ist offensichtlich. Wer einen Arbeitsvertrag nur angeboten bekommt, wenn er schon vorab auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet, wird oft zu Zugeständnissen bereit sein, die er später möglicherweise bereut. Hier stellt sich die Frage, wie die gerade von den Arbeitgebern immer wieder eingeforderte Loyalität im Arbeitsverhältnis entstehen soll, wenn schon die Vertragsaufnahme mit dem Verzicht auf eine spätere Kündigungsschutzklage vermengt wird.

Das Ausmaß des gesetzlichen Kündigungsschutzes von der Einkommenshöhe abhängig zu machen, wie Schäfer es andeutet, geht völlig fehl und dürfte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kaum Stand halten. Schon die Frage, ab welcher Gehaltsklasse kein Kündigungsschutz mehr benötigt würde, kann nicht rechtssicher beantwortet werden.

Die Absenkung des Kündigungsschutzniveaus ist somit ein Spiel mit dem Feuer, gefährlich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen und rechtlich nicht zu vertreten.


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